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Wer Menschenrechte missachtet, soll dafür geradestehen müssen

Eine Bäuerin legt sich am 3. April 2018 einem Bulldozer in den Weg: Protest gegen Glencore in Peru. Foto: Vidal Merma

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Die Fieberkurve steigt jeweils rasant: Kaum melden lokale Beobachter Übergriffe im Ausland, in die Schweizer Unternehmen verwickelt sind, laufen Telefonleitungen heiss. Gestern war es wieder so weit. Am 3. April vertrieb die Nationalpolizei Perus Bäuerinnen von einem Landstück. Sechs wurden dabei laut der Entwicklungsorganisation Comundo verletzt. Sie protestierten gegen den Schweizer Rohstoffkonzern Glencore, der dort auf Bauernland neue Schürfgebiete für die Kupfermine Antapaccay erschliesst.

Die Nervosität ist das Verdienst der 2016 eingereichten Konzernverantwortungsinitiative. Sie will erreichen, dass Schweizer Mutterkonzerne für Verletzungen von Menschenrechten und Umweltstandards im Ausland zur Rechenschaft gezogen werden können. Dahinter stehen 97 Nichtregierungsorganisationen. Zusammen erreichen sie über eine Million Personen. Diese geballte Kraft macht Eindruck.

Seit vergangenem Herbst wird darum im Bundeshaus versucht, dem populären Anliegen etwas entgegenzusetzen. Gestern brütete die Rechtskommission des Nationalrats über einem Kompromissvorschlag von Karl Vogler (CSP, Obwalden) und Hans-Ulrich Vogt (SVP, Zürich). Vogler konnte am Abend noch nicht sagen, wie der Antrag ankam. Die Parlamentsdienste wollen heute informieren.

Mitarbeiter mit Steinen beworfen

Die Initianten seien bereit, die Volks­initiative zurückzuziehen, verspricht Dick Marty als Co-Präsident des Initiativkomitees. Dies allerdings nur, wenn die Kommission und später das Bundesparlament den Gegenvorschlag unverändert gutheisst.

Der Gegenvorschlag nimmt die Hauptanliegen der Initianten auf: Er würde bei einem Vorfall wie in Peru greifen, bestätigt Kommissionsmitglied und Antragssteller Vogler: «Selbstverständlich erfasst dieser den Schutz von Leib und Leben sowie jenen von Eigentum.» Die betroffenen Frauen in Peru beharren laut Comundo darauf, dass sie rechtmässige Besitzer dieses Landes seien. Glencore schreibt, man habe es 2009 erworben.

Fest steht: Am 3. April eskalierte der Streit. Die Frauen hätten Mitarbeiter mit Steinen beworfen, hält Glencore fest. Darauf habe die Polizei eingegriffen. Vorwürfe, dass Glencore für die Gewalt mitverantwortlich sei, weist man zurück. Comundo hebt die ungleichen Machtverhältnisse hervor. Die lokale Bevölkerung habe keine Mittel, um ihre schlecht verbrieften Eigentumsrechte durchzusetzen.

Griffig bei Menschenrechten

Wer bei einer Klage in diesem Fall recht bekäme, ist offen. Für die Initianten ist aber klar: Würde die Konzernverantwortung im Rahmen der laufenden Aktienrechtsreform erhöht, hätten die peruanischen Frauen rascher eine rechtliche Handhabe als mit der Initiative. Darum sind sie zu Abstrichen bereit. Dass ein Mittelweg der Wirtschaft eher nützen als schaden würde, finden auch international tätige Unternehmen, etwa der Westschweizer Verband Groupement des Entreprises Multinationales mit 92 Mitgliedern oder Ikea und Migros. Sie machen sich ebenfalls stark für den Gegenvorschlag.

Dieser geht in zwei Punkten weniger weit als die Initiative. Während er bei Menschenrechtsverletzungen wirksam wäre, sind Umweltschäden gemäss Vogler nur erfasst, wenn sie Menschenrechte tangieren. Ausserdem bliebe der Kreis der betroffenen Firmen eingeschränkt. Im Wesentlichen wären es Firmen, deren Geschäftstätigkeit beträchtliche Risiken birgt. Sie müssten darüber hinaus mindestens zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen: mehr als 250 Beschäftigte, einen höheren Gewinn als 40 Millionen Franken und mehr Umsatz als 20 Millionen Franken pro Jahr. Ausnahmsweise könnten kleinere Firmen mit hohen Risiken in den Geltungsbereich fallen.

Für den Wirtschaftsdachverband Economiesuisse reicht das alles nicht. Er befürchtet viel Aufwand für die Firmen und damit höhere Kosten. Zudem stösst er sich an der Sorgfaltspflicht. Wer die Regeln dazu einhält, kann Klagen abwenden. Economiesuisse sieht darin eine «Umkehr der Beweislast». De facto müssten Unternehmen damit ihre Unschuld belegen können.

«Keine Umkehr der Beweislast»

Vogler weist diese Einschätzung zurück: An der Beweisverteilung der heutigen Geschäftsherrenhaftung ändere sich nichts. Um beim Beispiel der peruanischen Frauen zu bleiben: Diese müssten erstens den Schaden beweisen, zweitens die Widerrechtlichkeit des Eingriffs, drittens einen kausalen Zusammenhang zur Geschäftstätigkeit von Glencore und viertens, dass Glencore die Kontrolle ausübt über die Unternehmenseinheit oder die Tochterfirma, deren Verhalten beanstandet wird.

Der Rohstoffkonzern äusserte sich gestern vorsichtig zu den Bestrebungen der nationalrätlichen Rechtskommission. Der verhandelte Gegenvorschlag sei Glencore nicht bekannt. Insgesamt bevorzuge man die Linie des Bundesrats. Dieser empfahl im Herbst die Ablehnung der Initiative. Die Regierung baut darauf, dass sich die Wirtschaft freiwillig Regeln auferlegt. Es sei wichtig, dass die Schweiz international koordiniert vorgehe.

Alt-FDP-Nationalrat Dick Marty hält es für illusorisch, dass die Wirtschaft aus eigenem Antrieb handelt. Gelehrt hat ihn dies der Umgang mit der Geldwäscherei. 1998 trat nach jahrelangem Ringen das Geldwäschereigesetz in Kraft. So wenig wie dort traut es der frühere OSZE-Abgeordnete für Menschenrechte der Wirtschaft zu, den Menschenrechten im Ausland Nachachtung zu verschaffen: «Selbstregulation funktioniert für gute Schüler, aber es gibt eben auch sehr schlechte Schüler.»